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Was wir aus der Landtagswahl am 22. September 2024 in Brandenburg lernen sollten: Eine Analyse

Die Landtagswahl in Brandenburg am 22. September 2024 hat die politische Landschaft des Landes grundlegend verändert. Mit einem klaren Erstarken der AfD und dem dramatischen Verlust kleinerer Parteien ist das Wahlergebnis ein Weckruf für alle, die an einer vielfältigen, demokratischen Gesellschaft interessiert sind. Die AfD konnte fast 30 Prozent der Stimmen gewinnen, während Parteien wie das Bündnis Plus Brandenburg und die Tierschutzpartei, die für viele Menschen eine wichtige Stimme vertreten, beinahe aus dem politischen Spektrum gedrängt wurden. Was sind die Ursachen für dieses Ergebnis, und was können wir daraus lernen?

Das Erstarken der AfD: Ein Zeichen von Frustration und Entfremdung

Die AfD hat ihren Erfolg bei der Landtagswahl in erster Linie einer tiefen Frustration in Teilen der Bevölkerung zu verdanken. Viele Menschen fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten und wenden sich einfachen Lösungen und radikalen Botschaften zu. Die AfD profitiert von einer Polarisierung des politischen Diskurses, bei der Komplexität abgelehnt und stattdessen auf klare, oft populistische Antworten gesetzt wird. Dabei gelingt es ihr, Themen wie Migration, soziale Unsicherheit und gefühlte Ungerechtigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen – Themen, die bei vielen Wählerinnen und Wählern auf fruchtbaren Boden fallen.

Zudem hat die AfD die Fähigkeit bewiesen, Wählerinnen und Wähler aus unterschiedlichsten Milieus anzusprechen. Während sie in ländlichen Regionen bereits seit Jahren erfolgreich ist, konnte sie bei dieser Wahl auch in den Städten an Boden gewinnen. Die Wahl zeigt, dass die AfD nicht mehr nur eine Protestpartei ist, sondern sich als feste Größe im politischen Spektrum etabliert hat.

Das Wahlkampfverhalten von Dietmar Woidke und der SPD

Die SPD und ihr Spitzenkandidat Dietmar Woidke setzten im Wahlkampf stark auf eine Strategie der Kontinuität und der Bewahrung. Woidke, seit Jahren Ministerpräsident, stellte sich als Garant für Stabilität dar und vermied größere inhaltliche oder personelle Erneuerungen. Während dies in früheren Wahlkämpfen funktioniert haben mag, zeigte sich diesmal, dass diese Strategie an ihre Grenzen gestoßen ist.

Der Wunsch nach Veränderung, der vor allem in der jungen Generation und bei vielen städtischen Wählerinnen und Wählern zu spüren war, wurde von der SPD kaum aufgegriffen. Anstatt klare, mutige Visionen für die Zukunft des Landes zu präsentieren, setzte Woidke auf ein „Weiter so“ – eine Botschaft, die viele Wählerinnen und Wähler als unzureichend empfanden. Dies führte dazu, dass die SPD nicht nur Wähler an die AfD verlor, sondern auch die Mitte nicht überzeugend halten konnte.

Das „Stimmen borgen“: Eine Gefahr für die politische Vielfalt

Ein weiterer Aspekt, der das Wahlergebnis stark beeinflusste, war das sogenannte „Stimmen borgen“. Viele Wählerinnen und Wähler entschieden sich dafür, ihre Stimme nicht einer kleineren Partei, sondern taktisch der SPD oder CDU zu geben, um so die AfD zu schwächen. Diese Strategie mag kurzfristig verständlich erscheinen, hat aber langfristig fatale Folgen für die politische Vielfalt.

Kleinere Parteien wie das Bündnis Plus Brandenburg, die Tierschutzpartei und andere Kleinstparteien wurden dadurch an den Rand des politischen Abgrunds gedrängt. Gerade diese Parteien spielen oft eine wichtige Rolle, um spezifische Interessen und gesellschaftliche Gruppen zu vertreten, die von den größeren Parteien nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Schwächung dieser Parteien gefährdet die Pluralität und das demokratische Gleichgewicht im Landtag, da wichtige Themen aus dem politischen Diskurs verschwinden könnten.

Ein Parlament, das nur noch aus den großen Playern besteht, kann nicht alle Interessen der Gesellschaft abbilden. Wenn es keine Alternativen zu den etablierten Parteien gibt, werden viele Wählerinnen und Wähler, die sich nicht repräsentiert fühlen, der Demokratie langfristig den Rücken kehren.

Ein Landtag ohne Grüne, Linke und Freie Wähler: Was erwartet uns?

Der neue Landtag wird erstmals ohne die Grünen, die Linken und die Freien Wähler auskommen müssen. Dies bedeutet nicht nur das Ausscheiden von Parteien, die für ökologische und soziale Themen gekämpft haben, sondern auch eine Verarmung des politischen Spektrums insgesamt. Die Grünen, die in Brandenburg insbesondere für den Klimaschutz und die ökologische Transformation standen, werden ebenso fehlen wie die Linken, die traditionell soziale Gerechtigkeit und Arbeitnehmerrechte in den Vordergrund stellten.

Die Freien Wähler, die in ländlichen Regionen häufig für bürgernahe Politik standen, werden ebenfalls nicht mehr vertreten sein. Das Fehlen dieser Parteien bedeutet, dass viele Wählerinnen und Wähler, die sich bisher in diesen politischen Lagern beheimatet fühlten, nun ohne direkte politische Vertretung dastehen.

Ein demokratischer Landtag mit AfD, CDU, SPD und BSW: Eine Vorschau

Die neue Zusammensetzung des Landtags wird geprägt sein von der AfD, der CDU, der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Dies stellt eine völlig neue Dynamik dar. Die AfD wird voraussichtlich versuchen, ihre starke Position auszunutzen, um den politischen Diskurs weiter nach rechts zu verschieben. Ihre Präsenz wird nicht nur das Klima im Landtag, sondern auch die öffentliche Debatte radikalisieren.

Die CDU wird sich in einer schwierigen Position wiederfinden. Einerseits wird sie versuchen müssen, sich klar von der AfD abzugrenzen, andererseits wird sie gezwungen sein, konservative Wählerinnen und Wähler zu halten, die potenziell zur AfD abwandern könnten. Die SPD wird ebenfalls vor der Herausforderung stehen, in einem zunehmend polarisierten Parlament eine moderate und ausgleichende Politik zu vertreten, während sie selbst durch den Verlust kleinerer Partner an politischem Einfluss eingebüßt hat.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte sich als eine neue linke Kraft etablieren, doch ihr Erfolg wird stark davon abhängen, wie sie die politischen Lücken füllt, die die Linken und Grünen hinterlassen haben.

Fazit: Lehren für die Zukunft

Die Landtagswahl 2024 in Brandenburg hat gezeigt, dass taktisches Wählen, wie das „Stimmen borgen“, langfristig die politische Vielfalt gefährdet. Das Erstarken der AfD verdeutlicht zudem, dass viele Menschen das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben. Wählerinnen und Wähler suchen nach Alternativen, nach Lösungen für ihre Probleme und nach einer Politik, die sie ernst nimmt.

Für die Zukunft muss es das Ziel aller demokratischen Kräfte sein, die Vielfalt in der politischen Landschaft zu erhalten und zu fördern. Kleinere Parteien dürfen nicht an den Rand gedrängt werden, und die großen Parteien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, alle Teile der Gesellschaft zu repräsentieren.

Nur so kann Brandenburg langfristig ein vielfältiges und demokratisches Land bleiben, in dem alle Stimmen gehört werden – und nicht nur die lauten und radikalen.

  1. Thomas Langen

    Ob das BSW angesichts ihres Führerinkults, ihrer Putinhörigkeit und ihrer Migrantenfeindlichkeit als „linke Kraft“ einzuordnen ist, muss sich noch erweisen.

    Richtig ist sicherlich, dass ein Großteil der politischen Vielfalt Brandenburgs sich nicht mehr im Parlament wiederfindet und damit dringend notwendige Veränderungsprozesse hinsichtlich der Einwirkungen auf dss globale Klima und Anpassungen an dessen Veränderung (und dazu gehört auch ein zunehmender regionaler und globaler Migrationsdruck) gefunden werden müssen. Der populistische Ansatz der Realitätsverleugnung und des Hetzens hilft jedenfalls nicht, ebensowenig ein autoritäres Regime, das sich auf bestehende zerstörerische Interessengruppen stützt, ebensowenig die Hinnahme einer alternativlosen Kriegslogik.

    Eine Erneuerung der Demokratie samt funktionierndem Rechtsstaat und eine Orienterung an bestmöglichen, nachhaltigen, Lösungen für die Bewohner dieses Landes und deren Umwelt wird immer nötiger. Ich sehe jedoch nicht, wie die Piratenpartei in ihrem jetzigen Zustand als Vorantreiber eines solchen Prozesses wahrgenommen werden kann. Wie können wir als ernstzunehmende Reperaturkraft für die liberale Demokratie in Erscheinung treten? Will das Piratenpartei überhaupt noch?

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