Am Donnerstag wurde im Bundestag ein Antrag zur Chatkontrolle diskutiert. Und wer die Diskussion beobachtete, der dachte, er oder sie sei im falschen Kino. Oder im Bundestag würde „verkehrte Welt“ gespielt. 

Das Ziel des Antrags war eine gemeinsame Erklärung des Bundestages zur EU-Verordnung zur Festlegung von Vorschriften für die „Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Also die Verordnung, in der einerseits beispielsweise die Länder bei der Einrichtung von Hilfezentren für Kinder unterstützt werden sollen – aber andererseits auch die Chatkontrolle eingeführt werden soll, bei der die gesamte Online-Kommunikation auf illegale Inhalte, insbesondere hinsichtlich der Darstellung von Missbrauch, überwacht werden soll. Also eine Verordnung, die zwar ein hehres Ziel hat, die aber die Privatsphäre, ja sogar Intimsphäre der Menschen opfert während sie nachweislich (es gab Pilotstudien) nicht der Aufklärung von Missbrauch helfen kann.

Die Bundesregierung hat der Verordnung via EU-Kommission schon zugestimmt. In anderen Worten: Für Unterstützung seitens der EU war man bereit, die Freiheit zu opfern. Die Freiheit, sich unbeobachtet mit Menschen in Chats unterhalten zu können. 

„Ich bin ja eigentlich dagegen, aber…“

Im Bundestag traten nun alle Regierungsparteien auf und betonten, wie sehr sie die Chatkontrolle ablehnen würden. Genauso würden sie aber auch den nun eingebrachten Antrag ablehnen, der sich aber ja konkret gegen den Teil der Chatkontrolle in der Verordnung aussprach. Den warmen Worten nach waren also alle Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien gegen die Einführung der Chatkontrolle – eine substantielle, bisher nie dagewesene Überwachung, ohne besonderen Anlass, aller Menschen in der EU, die Chatprogramme nutzen. Aber es war keinem dieser Abgeordnetenwirklich wichtig, mit einer Erklärung die EU-Verordnung aufzuhalten beziehungsweise ihre Möglichkeiten zu nutzen, um über ein Veto der Bundesregierung die Verordnung zu bremsen. Es war offenbar auch unstrittig, dass mit einer Einführung der Chatkontrolle der Koalitionsvertrag gebrochen werde. Dennoch machten sich alle einen schlanken Fuß und erklärten, man wäre ja auch dafür, aber man wolle das noch besser machen, als im eingebrachten Antrag. 

Politiker tun nichts gegen Chatkontrolle

Es war genug Zeit, es besser zu machen, aber keinem Abgeordneten war es wichtig genug, sich gegen die Chatkontrolle aktiv einzusetzen. Lieber freut man sich über finanzielle Unterstützung aus Brüssel für Kinderzentren, was man, wenn es einem so wichtig ist, auch über den Bundeshaushalt finanzieren könnte. Zu verhindern, dass mit der Chatkontrolle ein Instrument beschlossen wird, eine Infrastruktur eingerichtet wird, mit der es möglich ist, jede Kommunikation zu überwachen und auch zu unterbinden, das war den Abgeordneten der Regierungsparteien zu viel des Guten. Also man wollte es ja dann noch besser machen als im Antrag vorgesehen, irgendwie. Jedenfalls, im Bundestag war am Donnerstagabend keine Abgeordnete und kein Abgeordneter der Regierungsparteien zu sehen oder zu hören, der es so wichtig war, sich gegen Überwachung und für Freiheit und Privatsphäre einzusetzen, dass er mit seiner Zustimmung zu diesem Antrag ein Zeichen setzen wollte.

Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition gelte ja und spreche sich gegen Massenüberwachung aus. Der Antrag sei ja nur halt noch nicht gut genug, man könne noch nicht zustimmen, aber man arbeite ja an etwas besserem, das das selbe sagen wird. Ein Spiel, dass den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu verkaufen ist und misstrauen stiftet, dass am Ende des Spiels dann doch Tatsachen mit der Chatkontrolle geschaffen werden.

Als Piratenpartei sehen wir die Risiken, die mit der geplanten Chatkontrolle einhergehen, und stemmen uns gegen diese Pläne. Die Chatkontrolle zerstört die Privatsphäre all unserer online-Kommunikation, überwacht massenhaft unbescholtene Menschen, mit dem vorgeschobenen Ziel, man könne Kriminelle, die zwischen uns ihre Machenschaften treiben, auffinden. Eine Behauptung, die nachweislich nicht haltbar ist.

Mehr Informationen rund um die Chatkontrolle und unsere ausführlichen Argumente, warum die Chatkontrolle schädlich ist und ihre Ziele nicht erfüllt, stellt unser EU-Parlamentarier Patrick Breyer auf seiner Homepage zusammen: www.chatkontrolle.de