Verfassungsgerichte bestätigen: Paritätsgesetze sind ein schwerwiegender Eingriff in die Freiheit und Gleichheit der Wahl – Auch die Klage der Piraten gegen das Paritätsgesetz wäre voraussichtlich erfolgreich gewesen

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde gegen die Bundestagswahl 2017 zurückgewiesen. Die Klägerinnen bemängelten darin, dass es keine gesetzliche Regelung gibt, die Parteien verpflichte, Wahllisten abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen. Zuvor war die Beschwerde schon beim Bundestag gescheitert.

Die Richter in Karlsruhe stellten in ihrem Urteil fest, dass es für die Vertretung des Volks nicht darauf ankomme, „dass sich das Parlament als verkleinertes Abbild des Elektorats darstellt.“ [1] Vielmehr seien die gewählten Abgeordneten nicht einem Bundesland oder Wahlkreis, einer Partei oder einer Bevölkerungsgruppe, sondern dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich.

Ferner bemängelten die Richter, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl es gebiete, dass Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht in gleicher Weise ausüben können. Eine Verpflichtung zur Parität könne diesem Grundsatz widersprechen, etwa wenn eine Partei nicht über die gleiche Anzahl an Bewerbern des jeweiligen Geschlechts verfüge.

Ähnlich hatten auch wir Piraten im Mai 2019 argumentiert, als wir vor dem Brandenburger Verfassungsgericht Beschwerde gegen das sogenannte Paritégesetz einlegten. Dieses schrieb vor, dass Parteien ihre Bewerberlisten zur Landtagswahl abwechselnd mit Frauen und Männern besetzen müssen. Die Piraten sahen darin das Demokratieprinzip insgesamt, aber auch elementare Wahlrechtsgrundsätze, die Parteienfreiheit sowie das Verbot der Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts verletzt.

Mit seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2020 urteilte das Brandenburger Verfassungsgericht auf Antrag zweier anderer Parteien einstimmig, dass das Paritégesetz verfassungswidrig, und damit nichtig sei.[2] Damit wurde unsere Beschwerde,über die erst zu einem späteren Zeitpunkt geurteilt worden wäre, gegenstandslos. Dass unsere Verfassungsbeschwerde dennoch Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, bestätigte das Landesverfassungsgericht mit Schreiben vom 11. Dezember 2020. Dort heißt es:

„Eine volle Auslagenerstattung kann in Betracht kommen, wenn die verfassungsrechtliche Lage inzwischen durch eine Entscheidung in einem anderen Verfahren geklärt ist und sich daraus ergibt, dass das Verfahren erfolgreich gewesen wäre. […]Dies war hier der Fall. Das Organstreitverfahren war ursprünglich jedenfalls hinsichtlich der Parteienfreiheit und des Rechts auf Chancengleichheit, die Verfassungsbeschwerden hinsichtlich der Grundrechte der passiven Wahlrechtsgleichheit bei der Listenaufstellung sowie des Verbots der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts zulässig. Sie hatten auch in der Sache, wie aus den Urteilen vom 23. Oktober 2020 […] ersichtlich ist, Aussicht auf Erfolg.“ 

Nachdem bereits zuvor die Verfassungsgerichte in Bayern, Thüringen und Brandenburg – sowie mit dem heutigen Tage auch das Bundesverfassungsgericht massive und grundsätzliche Bedenken an der Idee eines Paritätsgesetzes geäußert haben, fordern wir unsere politischen Mitbewerber auf, nicht länger auf eine verfassungswidrige Durchsetzung der Geschlechterparität in Parlamenten zu bestehen. Vielmehr laden wir dazu ein, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Diese sollen dazu beitragen, den Wählerwillen möglichst adäquat abzubilden und gleichzeitig allen Bewerbern die gleichen Chancen auf ein Mandat zu gewähren, ohne in die Grundsätze der freien Wahl einzugreifen. Wir schlagen dazu den verfassungsgemäßen Weg des „Kumulierens“ und „Panaschierens“ der Stimmen – so wie es bei Kommunalwahlen seit Jahren verfassungskonform angewandt wird, vor.

[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-011.html;jsessionid=5CDCBF04B1BCBA36DCE32C573F2BEC44.2_cid377
[2] https://verfassungsgericht.brandenburg.de/verfgbbg/de/presse-statistik/pressemitteilungen/detail/~23-10-2020-paritaetsgesetz-verfassungswidrig