2018 Allgemein Gastbeitrag Politik

…oder wie den Bürgern Fake-News untergeschoben werden

Wenn Leitmedien zum Problem werden

Dr. Michael Berndt – Themenbeauftragter Energiepolitik der Piratenpartei Deutschland – nimmt Stellung zu Fehlinformationen in den Medien

Mit der Informationsüberflutung und dem Kampf der Medien um Aufmerksamkeit sowie die damit verbundene „Reichweite“ stehen die Bürger vor einem Problem: Wem und was darf man, von dem was über Medien verbreitet wird, noch glauben? Öffentlichrechtliche Fernseh- und Radioanstalten erheben gerne den Anspruch auf Qualitätsjournalismus, wollen Leitmedien sein. Doch auch sie werden zunehmend zu einem Problem. Dazu drei Beispiele:

Beispiel 1: Am 11. März 2018 erwähnt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner – wie selbstverständlich- in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ [1]: „Das 2020 Klimaziel ist physikalisch in Deutschland nicht erreichbar. “Als Physiker erlaube ich mir dazu zu bemerken: Was für ein Schwachsinn! Das Problem aber ist nicht, dass Herr Lindner eine naturwissenschaftliche Gegebenheit suggeriert und meint, so einen Unsinn verbreiten zu müssen. Das Problem ist, dass ihm in einem deutschen Leit- und Qualitätsmedium mit einer großen Zuschauerzahl wie der ARD eine Plattform für eine interessensgetriebene, falsche Behauptung gegeben wird.

Beispiel 2: Im ARD-Presseclub am 30. September 2018 [2] wirft die Wirtschaftsjournalistin und Publizistin Ursula Weidenfeld kurz vor Schluss in einer Nebenbemerkung noch ein: „Alles auf Elektro umzustellen, das bringt überhaupt nichts, solange alle Kraftwerke Steinkohle und Braunkohle verfeuern.“ Nein, Frau Weidenfeld, Sie sind, obwohl als Expertin geladen, nicht wirklich im Thema. Der Strom wird in Deutschland mit verschiedenen Energieträgern erzeugt, aus denen die CO2-Emission des Strommixes berechnet wird. Deshalb fahren vollelektrische Autos auch nicht mit Kohlestrom, sondern mit dem Mix aus Strom von Kohlekraftwerken, Kernkraftwerken und Anlagen der Erneuerbaren Energien. Rechnet man die CO2-Emissionen zum Beispiel eines Golf Diesel und eines vollelektrischen Golf mit den Werksangaben nach – und das habe ich getan – ergibt sich eine CO2-Einsparung des Elektro-Golfs von 37%. Da inzwischen ja bekannt ist, dass tatsächlicher Verbrauchs- und CO2-Emissionsangaben von VW geschönt wurden, ist die CO2-Einsparung noch größer.

Und zu dem Argument, dass die Produktion der Batterien, wenn sie mit eingerechnet würde, die positive CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen kaputt machen würde: Schauen Sie bitte auf die Dächer der Gigafactory von Tesla (neben dem Werk stehen zusätzlich Windkraftanlagen), des Batteriewerkes von Daimler in Kamenz oder auf die Fabrikdächer des chinesischen Batterieherstellers BYD. Der Strom für die Produktion wird mit Photovoltaikmodulen und auch Windkraftanlagen erzeugt.

Beispiel 3: Am 06. Oktober erlaubte der Deutschlandfunk dem Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung Michael Siegel einen Gastkommentar [3]. In diesem Kommentar verstieg er sich im Bezug auf die Elektromobilität zu der Behauptung: „… wenn man einbezieht, welch’ grässliche Kriege um die dafür erforderlichen Rohstoffe, wie beispielsweise Seltene Erden geführt werden.“ Vielleicht erst einmal recherchieren? Also auch hier Nachhilfeunterricht: Die „Metalle der Seltenen Erden“ sind alles andere als selten. Schon lange weiß man, dass es abbaubare Vorkommen auf allen Kontinenten, auch in Europa und sogar in Deutschland gibt. [4] Der Import dieser Metalle war bisher halt billiger. Und dass um diese Metalle und damit auch für die Elektromobiltät Kriege geführt werden, ist einfach nicht wahr.

Hinzu kommt, dass ein Elektroauto in den meisten Fällen sogar weniger Seltene Erden benötigt, als eins mit Verbrennungsmotor. Weder in den Batterien, noch im Antriebsmotor werden diese normalerweise eingesetzt, jedoch in diversen Nebenaggregaten und Verstellantrieben eines Verbrennungsmotors.

Es ist zu befürchten, dass auch andere Themenfelder längst von politischen und journalistischen Falschbehauptungen betroffen sind und auf diese Weise den Bürgern Fake-News untergeschoben werden. Damit werden auch die Leitmedien zu einer Gefahr für die Gesellschaft, sofern die Verbreitung von Fake-News zugelassen wird. Wer jetzt darauf verweist, dass es sich ja um nur persönliche Meinungsäußerungen handelt, erkennt das Problem nicht. Die ständige Wiederholung falscher Behauptungen erzeugt den Eindruck, dass diese auf Tatsachen basieren würden. Statt auf Wissen basiert dann die öffentliche Diskussion auf gefühlten Wahrheiten. Dem muss durch verstärke Kommunikation von nachprüfbaren Fakten begegnet werden.

Wissen, das nach wissenschaftlichem Maßstab von finanziell unabhängigen Institutionen erarbeitet wurde, muss viel häufiger publiziert, verbreitet und insbesondere von denen, die eine öffentliche Stimme besitzen, auch akzeptiert werden. Denn dieses Wissen muss die Grundlage gesellschaftlichen Handelns sein.

Quellen:
[1] Bericht aus Berlin 11.03.2018 https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-384253~_bab-sendung-437.html (ab 12 min 20s)

[2] Wirtschaftsjournalistin und Publizistin Ursula Weidenfeld im ARD-Presseclub am 30.09.2018
(ab 40 min 00s)

[3] Michael Seidel, Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung in Kommentare und Themen der Woche: Nach dem Kompromiss im Dieselstreit: Murks und ein Trauerspiel“, Deutschlandfunk am 06.10.2018 um 06:05 Uhr und in der Sendung „Kommentare und Themen der Woche“ ab 13:10 Uhr am gleichen Tag

[4] Dr. Harald Elsner: Seltene Erden – Lagerstätten, Projekte und Entwicklungen, 2012
https://www.bgr.bund.de/DERA/DE/Downloads/elsner_seltene_erden_2011.pdf?__blob=publicationFile&v=2
und
VDI Nachrichten „Deutschland und seine seltenen Erden“, 22. März 2018
https://www.vdi-nachrichten.com/Technik/Deutschland-seltenen-Erden

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    • Guido Körber

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