[singlepic id=103 w=125 float=left]Auf der US-amerikanischen Plattform “Public Intelligence” wurde ein Forschungsbericht – nebst dazugehöriger Präsentation – mit dem Titel “Recht und Praxis der anlassbezogenen automatischen Kennzeichenfahndung, Verkehrsdatenabfrage und Mobilfunkortung zur Gefahrenabwehr in Brandenburg” veröffentlicht. Die Piratenpartei Brandenburg stellte sich bereits in der Vergangenheit entschieden gegen die diesen Bericht betreffenden Gesetze; der brandenburgische Landtag verlängerte die Genehmigungen der kritisierten Maßnahmen allerdings trotzdem. Der nun vorliegende Forschungsbericht gibt aufschlussreiche Einblicke in die praktische Anwendung der automatischen Kennzeichenfahndung und bestätigt die Befürchtungen der PIRATEN Brandenburg.
Dem Bericht zufolge kommen im Land Brandenburg derzeit fünf stationäre und drei mobile Geräte zum massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen zum Einsatz. Das Erkennungssystem speichert dabei von jedem vorbeifahrenden Fahrzeug ein von hinten aufgenommenes Foto, das eingelesene Kfz-Kennzeichen, das Ausstellungsland des Kennzeichens, das Trefferdatum mit Uhrzeit, den Standort, eine interne Identifikationsnummer und den Treffer-Status. Das brandenburgische Gesetz erlaubt ausschließlich die Erhebung der Kennzeichen von Fahrzeugen. In der Anhörung von Sachverständigen im brandenburgischen Landtag wurde erfolglos darauf hingewiesen, dass die Erhebung der weiteren Daten ohne besondere gesetzliche Grundlagen nicht zulässig ist. Außerdem erlaubt das Gesetz zur automatischen Kennzeichenfahndung im Land Brandenburg die Anwendung der Maßnahme nur in bestimmten Fällen, insbesondere zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben. Fast durchweg, nämlich zu rund 93 Prozent, wird der Fahrzeugverkehr allerdings zur Suche nach gestohlenen Fahrzeugen gerastert. Nur rund fünf Prozent der Abgleiche dienen in der Praxis tatsächlich der Abwehr von Gefahren.
Michael Hensel, Vorsitzender der Piratenpartei Brandenburg, dazu: “Der Einsatz der automatischen Kennzeichenfahndung – unter anderem zur Aufklärung von Fahrzeugdiebstählen im Land Brandenburg – ist rechtswidrig. Der veröffentlichte Bericht zeigt klar, dass die angewendete Praxis nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Der Bundesgesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht haben aus gutem Grund keinen Massenabgleich von Kfz-Kennzeichen in Fällen eines bloßen Diebstahls zugelassen und der Datenerfassung einen engen Rahmen vorgegeben. Eine gesetzeswidrige automatisierte Überwachung aller Personen in öffentlichen Räumen durch optisch-elektronische Einrichtungen ist nicht hinnehmbar. Die PIRATEN Brandenburg fordern die Verantwortlichen auf, den gesetzwidrigen Einsatz der automatischen Kennzeichenfahndung sofort zu stoppen und auch zukünftig auf den Kfz-Massenabgleich zu verzichten. Der durch die US-amerikanische Plattform veröffentlichte Forschungsbericht zeigt deutlich, dass die Erfolgsbilanz der Maßnahme katastrophal ist.”
Ich spiele jetzt mal advocatus diaboli: “Ist doch gut, wenn dadurch Diebe geschnappt werden können. Noch dazu in Brandenburg, wo die ganzen Ausländern klauen”
Was ich sagen will “verfassungwidrig in den Köpfen von Law&Order-Menschen kein Argument und auch für Unentschiedene wäre es gut zu erklären warum die Kennzeichenerfassung abzulehnen ist, oder zumindest zu verlinken zu einer Argumentation. Ich bin mir gerade selber nicht sicher, deswegen frage ich.
@Harald: Auch im Land Brandenburg gilt für alle Menschen die Unschuldsvermutung – ausdiesem Grund darf es keine verdachtsunabhängige Überwachung geben. Die Erfassung sämtlicher Kraftfahrzeuge und der Abgleich mit existierenden Datenbanken verletzt die Privatsphäre und die Freiheit der Menschen in eklatanter Art und Weise. Die “Erfolgsquote” (siehe Bericht) zeigt deutlich, dass dieser Eingriff in die Grundrechte nicht gerechtfertigt ist…
Autodiebe fangen … das wäre ja immerhin eine Art Erfolg. Aber hier ist die Realität – ich zitiere mal den Experten von Daten-Speicherung.de:
“Über 1.800 solcher Diebstahlsfahndungen verzeichneten die Forscher im Untersuchungszeitraum – doch nur 28mal wurde das gesuchte Fahrzeug gemeldet. ”
… und …
“Es ist nur vereinzelt ersichtlich, dass auf Treffermeldungen überhaupt reagiert wurde. Ob aufgrund des Kfz-Massenabgleichs auch nur ein Fahrzeug beschlagnahmt wurde, ist nicht bekannt.”
Soll heißen: von 1800 gesuchten Fahrzeugen wurden nur 28 gesichtet. (Eventuell gesichtet, es gibt auch noch eine Fehlerquote.) In den meisten Fällen haben sie aber nichtmal die Verfolgung aufgenommen.
Es ist eine absolute Unverfrorenheit,wie wir alle auf jede nur erdenkliche Weise ausspioniert und kontrolliert werden.Langsam aber sicher sollten wir uns wirklich einmal auf unsere Verfassungsrechte besinnen und selbige nicht nur anwenden,um radikale Extremisten zu schützen.
Ja,es gibt noch so viel zu tun,um reale,demokratische Verhältnisse zu schaffen.
Das Problem ist, das die Anwendung der Rasterung nach KFZ Dateien unverhältnismässig ist. Deswegen sollte sie nur zur Abwedung von Gefahren für Leib und Leben eingesetzt werden. Wird sie das nicht, dann steht dieses Vorgehen im krassen Missverhältnis zu den Datenschutzgesetzgebenung von Deutschland. Dort wird darauf hingewiesen, dass eine Datenerfassung von schutzenswürdigen, personenbezogenen Daten nur im konkreten Verdachtsfall vorgenommen werden darf. Ansonsten verstösst dies gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung, denn KFZ Kennzeichen sind im vorliegenden Fall vom Erheben ohne Probleme auf eine existierende, natürliche Person rückführbar (ich unterstelle einmal, dass die Polizei mit den Daten durchaus eine Halterermittlung machen kann).
Die Brandenburger Polizei setzt diese präventive Überwachung auch seit Jahren im Vorfeld von Demonstrationen (Versammlungsfreiheit nach GG!) ein. Dazu werden teilweise auch rechtswidrige Daten verwendet, beispielsweise wird die vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Datei “Gewalttäter Sport” verwendet (nachzulesen in den jährlichen Berichten über KfZ-Scannung und Handyortung an den Innenausschuss 2008-2011). Ziel der KfZ-Überwachung auf den Straßen im Vorfeld von Demos ist es, abzuschätzen wieviel Polizeistärke man z.B. nach Cottbus zur Absicherung der Demo hinschicken muss. Für organisatorische Vorbereitungen erlaubt das PolG in BB jedoch keine Kennzeichenüberwachung, daher muss diese Überwachung aufhören, noch dazu möchte ich ohne Überwachung mein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben!