„Hallo Herr Matz, wie bereits gesagt, halte ich es für sehr ungewöhnlich, dass ein Bürgermeisterkandidat, auch wenn er nicht in die Stichwahl gekommen ist, Fragen an die verbleibenden Bewerber stellt. In der Zeit Ihres Wahlkampfes hatten Sie die meisten Ihrer Fragen aus „Piraten- Sicht“ nicht ansatzweise thematisiert, obwohl Sie vielfach Gelegenheit dazu hatten.[…?…] Ungeachtet dessen beantworte ich diese gern, zumal mich die Themen selbst bewegen und ich gern meine Meinung dazu vertrete:
Wie verbessern sie die Bürgerbeteiligung an den Entscheidungen der Stadt?
Zunächst verbessere ich die Bürgerbeteiligung an den Entscheidungen der Stadt, indem ich die Bürger immer wieder ermuntere, zur Bürgermeisterwahl zu gehen. Wir leben in einer mittelbaren Demokratie, in der der Wille des Volkes durch Vertreter geformt und Entscheidungen durch diese getroffen werden. Natürlich bieten sich ergänzend gerade im kommunalen Bereich mehrere mittelbare Elemente. Ich glaube, dass es nicht darum geht, dem Bürger irgendwelche Instrumente vorzugeben. Vielmehr weiß ich, dass der Jüterboger durchaus selbstbewusst ist und sich seine Rechte einfordert. Bürgerbegehren initiiert aus der Bevölkerung funktionieren (Rohrteich)- wichtig ist nur, dass die Politiker diese ernst nehmen. Aufgezwungene Bürgerbeteiligung ist nach meiner Erfahrung hier in der Stadt wie auch andererorts zum Scheitern verurteilt.
Entwickeln Sie den Bürgerhaushalt weiter?
Ja, ich würde mich dafür einsetzen, den Bürgerhaushalt (bezogen auf die freiwilligen Leistungen) bedingt weiterzuentwickeln. Voraussetzungen: die Verwaltung steckt nicht mehr mitten in der ihr aufgezwungenen, sehr aufwendigen Umstellung von der Kameralistik zur Doppik; eine deutliche Mehrheit der Stadtverordneten lässt erkennen, dass ihr das Thema wichtig ist (und nicht wie bei den beiden bisherigen Bürgerhaushalten, die im Eilzugtempo im Dezember jeweils eilig von Verwaltung und Stadtverordneten ohne klare Einhaltung der selbst aufgestellten Regeln durchgewunken wurden); die Stadtverordneten stellen sich künftig einer allseitig konsequent auferlegten Disziplin, die Haushaltsdebatte zügig zu Ergebnissen zu führen; die Stadt hat wieder erheblichen finanziellen Spielraum im Bereich der freiwilligen Aufgaben. Ich denke, diese Voraussetzungen sind zwingend, da wir anderenfalls Chaos verursachen, das unsere Stadt nicht braucht. Wer derzeit einen umfänglichen Bürgerhaushalt diskutiert, handelt aus meiner Sicht verantwortungslos.
Unterstützen Sie die Forderungen der Initiative „Schule In Freiheit“?
Da ich mich in meinem Wahlprogramm ganz entschieden zu allen Schulen in der Stadt bekenne, unterstütze ich diese Initiative bisher als Bürger der Stadt und als Kandidat. Auch als Bürgermeister werde ich hier klar Farbe bekennen, da eine breite Schullandschaft über die Einrichtungen in eigener Trägerschaft hinaus lebenswichtig für die Stadt und das Umland ist. Nur am Rande: ich war der einzige Bürger, der die Unterschriftenaktion in der freien Grundschule neben dem Schulpersonal unterstützte und ich hätte es für angemessen gefunden, wären auf dem Schulhof an diesem Tage auch Vertreter von Stadtverwaltung und Stadtverordnete gewesen.
Wie stehen Sie zu unserer Forderung „Freie Wahl der Grundschule“ (Schulbezirksregelung)?
Leider kann ich nicht erkennen, wer genau die Forderung aufstellt. Die im Schulgesetz des Landes getroffene Festlegung zu den Schulbezirken hat ihren tieferen Sinn. Sie gibt der Stadt die Möglichkeit, hier die Auslastung der Schulen in ihrer Trägerschaft zu steuern. Wesentlicher Vorteil für die Kinder: die Klassenstärke. Nun gibt es Ideen und ich vermute, in diese Richtung zielt Ihre Frage, das gesamte Stadtgebiet zu einem Schulbezirk zu machen. Die Argumente pro und contra sind vielfältig. Ich meine, diese gehören auf den Tisch der Stadtverordneten, sofern sich in die Richtung „Freie Wahl der Grundschule“ ein Bedarf in der Stadt abzeichnet. Nach meinem Dafürhalten ist dies rechtlich möglich und liegt in Entscheidung der SVV. Eine entsprechende Vorlage des Bürgermeisters ist denkbar, wenn eine Initiative der Stadtverordneten dies fordert. Aus Sicht der Verwaltung kann ich heute noch nicht sprechen.
Bekommt Jüterbog II eine eigene Vertretung (Ortsbürgermeister oder Ortsbeirat)? Welche besseren Möglichkeiten, Einfluss auf die Entwicklung von Jüterbog II zu nehmen, gibt es?
Aus meiner Sicht bekommt Jüterbog II keine eigene Vertretung. Ich halte es für geboten, den Vertretern der Ortsteile angemessen Gehör zu verschaffen. Sie haben andersgeartete Probleme, als die Kernstadt. Ich habe Bekannte und Freunde in Jüterbog II. Zum Stadtteilfest habe ich Möbel mit herangeschafft und Stände aufgebaut. Weiter versuchte ich, beim Nehmen von Verwaltungshürden zu helfen. Mehrere Paletten Blumendekoration stellte ich bereit und natürlich feierte ich bis in die Nacht hinein in Jüterbog II mit. Die Probleme sind mir dort bekannt. Dennoch sage ich, dass nun nicht jeder Stadtteil und vielleicht noch jeder Straßenzug mit besonderen Problemen eine eigene Vertretung haben soll. Die Besonderheiten in Jüterbog II sind auch insbesondere den Eigentumsverhältnissen dort geschuldet. Bereits bei der Einwohnerversammlung in Jüterbog II habe ich klar festgestellt, dass Jüterbog II genauso behandelt wird, wie jeder andere Stadtteil- nicht besser und auch nicht schlechter.
Setzen Sie sich für die Verbesserung des Nahverkehrs, u.a. für eine Buslinie von und in Richtung Baruth (Einzugsgebiet der Evangelischen Grundschule JB und der Freien Oberschule Baruth), ein?
Natürlich versucht ein Bürgermeister hier Einfluss zu nehmen. Wenn Ihnen hier konkrete Ansatzpunkte bekannt sind und Sie Handlungsbedarf sehen, wenden Sie sich doch bitte zunächst ohne Umwege an den zuständigen Landkreis Teltow- Fläming. Meine Empfehlung: Nutzen Sie ruhig Ihre Stadtverordneten der Stadt Jüterbog, die im Kreistag sitzen und Einfluss auf den Nahverkehrsbeirat haben. Dafür haben Sie sie gewählt. Mir sind bisher insbesondere Probleme beim Anschluss von Bahn auf die am Bahnhof abfahrenden Busse zu Ohren gekommen. Dies muss man an den zuständigen Landkreis und dessen Gesellschaft VTF herantragen.
Inwiefern wird die nichtkommerzielle Veranstaltungstätigkeit unterstützt und gefördert (auch für Veranstaltungen, die nicht von Ihnen selbst organisiert werden, z.B. kleine Open-air-Konzerte, alternative Veranstaltungslokale, aber auch das Altstadtfest)?
Da ich gerade dabei bin, ein Konzert von Jüterboger Jugendlichen mit zu organisieren und auch am nächsten Wochenende ein Indianerfest mit meinem Jüterböckchen-Team auf die Beine zu stellen, erübrigt sich diese Frage. Hier sprechen Taten. Außerdem müsste gerade Ihnen, Herr Matz, noch klar vor Augen sein, dass wir beide gemeinsam die Möbel für das Stadtteilfest in Jüterbog II verluden und aufbauten. Unterstützung kann auf vielen Ebenen stattfinden- durch Anpacken, moralischen Zuspruch, Bekenntnisse, Empfehlungen etc. Projekte, die mich überzeugten, unterstützte ich bisher im Rahmen meiner Kräfte. Das wird sich nicht ändern.
Welche Ansätze für die Bürgerfreundlichkeit des Mönchenklosters verfolgen Sie und welche Ideen gibt es für den Ersatz des Kinobetriebes?
Das Mönchenkloster ist teil der Verwaltung und gehört damit zu einem Servicebetrieb. Sollten sich Ansätze ergeben, die die Bürgerfreundlichkeit in Frage stellen, werde ich dem nachgehen. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, zufrieden mit der Vielzahl der Angebote und auch mit dem dort erlebten Service zu sein.
Ein Mitbewerber im ersten Wahlgang (Sie erinnern sich sicherlich), meinte, er würde, wenn sich kein privater Betreiber fände, als Stadt die Kinokarte mitfinanzieren. Dies ist vielleicht im Ostseebad Kühlungsborn mit Kurtaxe möglich. Wir hier in Jüterbog sind dazu nicht in der Lage. Ich persönlich als Kinogänger insbesondere mit meiner Familie betrachte die Schließung des Kinos als Verlust an Lebensqualität. Ein persönliches Gespräch mit dem Eigentümer der Liegenschaft brachte mich leider zu dem Schluss, dass der unglaublich hohe Investitionsbedarf keinen betriebswirtschaftlich denkenden Unternehmer dazu bringen kann, ein neues Kinoangebot zu schaffen. Dies ist sehr ärgerlich. Momentan sehe ich auch unter Verweis auf das Einzelhandelskonzept, welches auf die Einwohnerzahlen und damit die Konsumentenentwicklung eingeht, nur sehr schlechte Chancen, diesen wichtigen Attraktivitätsfaktor wieder zu beleben.
Herr Raue, können Sie wirklich mit allen Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung zusammenarbeiten, auch mit der CDU?
Dass ein parteiloser Bürgermeister in einer Gemeindevertretung Parteien zusammenbringen kann, habe ich mal besser mal schlechter als ehrenamtlicher Bürgermeister über fünf Jahre bewiesen. Auch wenn dort salopp gesagt mal die „Fetzen flogen“ hat sich die Gemeinde dank inhaltlicher Positionierung der Gemeindevertretung gut entwickelt. Nach der Wahl müssen alle wahlprägenden Differenzen vom Tisch. Ihre Solidarisierung und offensichtliche Sorge die CDU betreffend ehrt Sie. Ich weiß, dass in dieser Partei, wie auch in den anderen demokratischen Parteien hier in Jüterbog viele kluge Köpfe aktiv sind. Welche Konsequenzen die CDU aus der Wahl zieht, liegt natürlich nicht in meiner Hand. Für mich ist nur wichtig, dass nach der Wahl alle wieder an den Tisch zurückkehren und mit Fantasie und Elan dem Wohle unserer Stadt Jüterbog dienen.
Bestätigen Sie uns hiermit noch mal, dass Sie mit rechtspopulistischen Parteien wie „Die Freiheit“ nichts zu tun haben?
Woher auch immer die Motivation für eine derartige Frage kommt: Ja!!! Hier bedarf es keiner weiteren Erläuterungen, da ich mich vielfach öffentlich entschieden gegen jede rechts- und linksextreme Gedankengut geäußert habe. Bei der letzten Spucki-Aktion der evangelischen Kirche suchte ich sogar die offene Auseinandersetzung mit erkennbar rechtsgesinnten Menschen. Vorletztes Wochenende hätten Sie mich mit einem Shirt auf dem Marktplatz antreffen können, auf dem zu lesen war: Nein zu rechter und linker Gewalt/ gegen rechten und linken Extremismus. Deutlicher kann ein Mensch seine Gesinnung nicht zur Schau tragen.
Arne Raue“