Piratenpartei

Kandidatensuche per Internet? Lernen von der Piratenpartei!

Anfang Mai startete der Kreisverband Elbe-Elster der Partei Bündnis 90/Die Grünen – in Ermangelung eines geeigneten Bewerbers aus den eigenen Reihen – per Facebook die Suche nach einem Kandidaten für die anstehende Bürgermeisterwahl in der etwa 5800 Einwohner zählenden Stadt Uebigau-Wahrenbrück. »Bündnis 90/Die Grünen sind als bürgernahe Partei bekannt und beliebt. Die Vertretung der Bürger sollte unserer Meinung nach nicht in abgeschlossen Zirkeln und Kungelrunden stattfinden. Wir stehen für offene, transparente und bürgernahe Politik.« – mit diesen Worten bewarben die Mitglieder der Partei Bündnis 90/Die Grünen aus dem Landkreis Elbe-Elster ihre Kandidatensuche per Internet.

Auf diesem Wege meldeten sich auch mehrere potentielle Kandidaten – gewählt wurde der Kandidat schlussendlich jedoch »hinter verschlossenen Türen« ohne jegliche Mitbestimmungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger. Rico Bogacz, Vorsitzender des Kreisverbandes Cottbus der Piratenpartei, kritisiert dies: »Dieses Vorgehen bei der Kandidatenauswahl hat nichts mit der selbstpropagierten transparenten und bürgernahen Politik gemein. Dazu wäre eine Beteiligung der Bewohner von Uebigau-Wahrenbrück notwendig gewesen, um zu evaluieren, welche Kandidatin oder welcher Kandidat den stärksten Rückhalt in der Bevölkerung genießt. Was eine „transparente und bürgernahe Politik“ ist, wurde von dieser Partei offenbar nicht verstanden.«

Jürgen Maresch, Mitglied des Brandenburger Landtages für die Partei Die Linke, bewertet die Suche eines Kandidaten per Internet »als absolutes Trauerspiel« und ist der Ansicht, dass dies »die Politikverdrossenheit eher stärken wird«. Christian Schulz, Presseverantwortlicher des Landesverbandes Brandenburg, führt dazu aus: »Die Piratenpartei bewies bereits im vergangenen Jahr im Rahmen der Aktion „Potsdam sucht den besseren Oberbürgermeister!„, dass eine starke Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger bei der Findung eines Kandidaten eine bürgernahe Politik befördert und dies von der Bevölkerung auch gewünscht ist. Die Kritik des Herrn Maresch kann ich daher in keiner Weise nachvollziehen.« Damals konnten die Potsdamerinnen und Potsdamer ihren Wunsch-Oberbürgermeister als Kandidaten vorschlagen, woraufhin sich diese im Internet präsentierten und eine Podiumsdiskussion mit den vielversprechendsten Kandidaten stattfand. Auf verschiedenen Wegen konnten die Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen und letztendlich ihren Favoriten nominieren. Der Sieger dieses Castings trat dann bei der Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt an.

In der bayerischen Stadt Neumarkt in der Oberpfalz führt die Piratenpartei derzeit ein ähnliches Projekt durch. Im Rahmen eines in drei Abschnitte gegliederten Oberbürgermeister-Castings soll dabei der geeignetste Kandidat für die bevorstehende Wahl gefunden werden. Rico Bogacz dazu: »Auch dort werden die Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Auswahl des Kandidaten beteiligt. Die Reaktionen der Bevölkerung zeigen, dass dies durchaus gewollt ist.« Das Negativ-Beispiel für eine Kandidatensuche per Internet der Partei Bündnis 90/Die Grünen und die Reaktion des Landtagsabgeordneten Jürgen Maresch der Partei Die Linke zeigen, dass die etablierten Parteien in Sachen „Beteiligung der Bevölkerung“ noch viel von der Piratenpartei lernen können.