Nachlese zur Veranstaltung: Berliner Datenschutzrunde 2009 vom 22.1.2009
Thema: Regierungsentwurf zum Adresshandel (10.12.2008) in der Bundesdrucksache 4/09 v. 02.01.09
Gastgeber: VDA / Haus der Deutschen Wirtschaft
Anwesende: Groß- Fachverlage, Meinungs- und Sozialforschungsinstitute, Callcenter, Werbeagenturen, Marketing und Fundraisinginstitute, Lobbyverbände wie das ZAW, Post, Versandhandel wie Quelle, Adress Consulting, Creditreform sowie auf Direktmarketing angewiesene große NGOs wie SOS Kinderdorf und der BUND. Geschätzter Gesamtumsatz aller Anwesenden: mehrere Milliarden Euro.
Politische Standpunkte: Sebastian Edathy (MdB/SPD), Rita Pawlewski (MdB/CDU), Ulrike Höfken (MdB/Grüne)
Wer bei der Einladung noch gedacht hatte es ginge um Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung fand sich plötzlich im Schwitzkasten der deutschen Industrie wieder. Es war ein offener Schlagabtausch gegenüber der Bundespolitik um einen bestehenden Markt und dessen Nutzer. Anlass: die Mitte kommenden Jahres erwartete Novellierung des BDSG. Hintergrund: politische Eskalation nach sinkenden Vertrauenswerten in Politik und Wirtschaft aus Datenschutzskandalen in denen Datenbanken illegal verkauft wurden.
Ziele der Novellierung:
- Adresshandel nur noch nach Einwilligung
- Abschaffung des Listenprivilegs
- Kopplungsverbot bei Vertragsabschluss mit marktbeherrschenden Unternehmen
Beim Listenprivileg handelt es sich um ein Privileg, das auf die 1970er Jahre zurückgeht. Es sieht vor, dass Unternehmen personenbezogene Daten auch ohne Einwilligung der Betroffenen an Dritte verkaufen dürfen so lange es sich bei diesen Daten ausschließlich um Adressdaten und einen weiteren Datenpunkt handelt. Dieses Privileg soll nun gestrichen werden.
Weiterhin muss jeder explizit in eine Einwilligung erteilen, das seine Daten gehandelt werden dürfen. Die Einwilligung des Betroffenen soll dabei erfolgen dürfen: schriftlich, elektronisch oder fernmündlich per Voicefile mit schriftlicher Bestätigung von verantwortlicher Stelle. Wird die Einwilligung wegen besonderer Umstände in anderer Form erteilt, ist der Inhalt dem Betroffenen schriftlich zu bestätigen.
Dazu kommt ein Kopplungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen: Unternehmen dürfen den Abschluss eines Vertrages nicht von einer Einwilligung der Betroffenen in die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken abhängig machen, “wenn den Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist.”
Ausnahmen: Ausgenommen sind selbsterhobene Listendaten für Zwecke eigener Werbung, Werbung gegenüber Freiberuflern oder gewerblich Tätigen unter deren Geschäftsadresse sowie Spendenwerbung steuerbegünstigter Stellen, soweit dem schutzwürdige Interessen nicht entgegenstehen. Interessanterweise sieht der Gesetzgeber auch die Parteien aufgrund ihres grundgestzlichen Status von den Regelungen der Einwilligung befreit.
Kontrolle und Prävention: Zur Einführung eines gesetzlich geregelten Datenschutzaudits mit Datenschutzaudit-Siegel soll sich ein Ausschuss zusammensetzen, um Richtlinien zu entwerfen. Im Rahmen dieses Verfahrens können Unternehmen ein Datenschutzauditsiegel erwerben, wenn sie sich einem regelmäßigen datenschutzrechtlichen Kontrollverfahren anschließen und Richtlinien zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit erfüllen.
Wir sehen diese Maßnahmen als geeigneten ersten Schritt, – wenn sie auch nachlässig sind. So darf man fragen, was mit Daten passiert bei denen eine Einwilligung erteilt wird. Sie werden nach vorliegendem Entwurf intransparent über den Markt gehen und hoch gehandelte Ware sein.
Verständlich ist aber auch der Aufschrei der Industrie. Es wird Verlierer am Markt geben, – denn ein Geschäftsmodell aus anderen Zeiten steht auf dem Prüfstand. Das des Handels von Daten und der Vermietung ohne Einwilligung des Betroffenen. Daran gekoppelt sind ganze Wirtschaftszweige. Die Wirtschaft sorgt sich daher um den ausreichend und qualitativ hochwertige Dateninput um personalisierte Werbung zu ermöglichen und prognostiziert steigende Werbekosten und Stellenabbau. Wir empfehlen weniger Mutlosigkeit, sondern den Umbau der Geschäftskonzepte und z.B. die Ausrichtung auf Onlineangebote.
Unverständlich ist die Lobbykampagne aber angesichts ausgebliebener Eigenreformen und Selbstverpflichtungen. Es reicht nicht mehr sich darauf zurückzuziehen das gemietete Daten für den Kunden unsichtbar sind. Es reicht auch nicht mehr sich auf Robinsonlisten zurückzuziehen. Es sind einfach unsere Daten. Sie gehören der Industrie nicht und sind grundgesetzlich aus gutem Grund geschützt. Das MdB Edathy diesen Standpunkt vor dieser Runde vertreten hat, rechnen wir durchaus an.
In einem etwas seltsamen Licht blieben für uns S.O.S. Kinderdorf und der BUND stehen. S.O.S. Kinderdorf sah sich sogar schon auf das Niveau einer kleinen Initiative schrumpfen weil das Direktmarketing nun vorbei sei. Man wollte es kaum glauben.
Vom Gesetzgeber wünschen wir uns das er den Datenhandel und die Vermietung (Lettershop-Verfahren) generell verbietet. Es gibt keine praktikable Lösung für ein Verbraucher transparent über den Verbleib seiner Daten zu informieren wenn diese gehandelt oder vermietet werden. Sobald Daten von einer Hand in die andere übergehen bleibt die Nachvollziehbarkeit vollkommen auf der Strecke. Eine Einwilligung für Werbung sollte ausschließlich Unternehmensgebunden sein.
Die industrieseitig vorgeschlagene Teillösung den innerbetrieblichen Datenschutzbeauftragten in seiner Rolle als Systementwickler, Berater und Eskaltionsinstanz durch ein definiertes und genormtes Berufsbild zu stärken teilen wir. Darüber hinaus schlagen wir vor, Unternehmen an eine wiederkehrenden ISO Zertifizierung zu binden, welche Grundlage öffentlicher Aufträge ist.
Auf Freunde! Wir vertrauen auf das Wort des Gastgebers die Daten- und Verbraucherschützer in einer zweiten Runde zu hören. Reicht Vorschläge ein, um der Deutschen Wirtschaft aus der Datenschutzkrise zu helfen! Und Netzpolitik berichtet dann vielleicht auch wieder kommentiert.
Bilder und einen monetären Gegenstandpunkt findet man hier.
An geeigneter Stelle werden wir dann gerne das zeitgeschichtliche Dokument bzw. die vorbereitete Rede von MdB Rita Pawlewski (CDU) veröffentlichen. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie, deren Mitglied sie ist, ist davon überzeugt das Dialogmarketing auch ohne zustimmenden Dialog des Endverbrauchers stattfinden muss.
Wir machen in diesem Sinne aufmerksam auf einen wichtigen Termin: Zentrale gemeinsame Veranstaltung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in Berlin
-
- Beginn: 28.01.2009 – 17:00 Uhr
- Ort: Berlin
- Webseite: Link
Wir hoffen dort den Gesetzgeber zu finden, der mit uns darüber nachdenkt wie eigentlich staatlich erhobene Daten verarbeitet werden dürfen bzw. ob manches seiner Gesetze nicht am Grundgesetz und der Intention unserer Demokratie vorbeigeht.
Nachlese zur Veranstaltung: Berliner Datenschutzrunde 2009 vom 22.1.2009
Thema: Regierungsentwurf zum Adresshandel (10.12.2008) in der Bundesdrucksache 4/09 v. 02.01.09
Gastgeber: VDA / Haus der Deutschen Wirtschaft
Anwesende: Groß- Fachverlage, Meinungs- und Sozialforschungsinstitute, Callcenter, Werbeagenturen, Marketing und Fundraisinginstitute, Lobbyverbände wie das ZAW, Post, Versandhandel wie Quelle, Adress Consulting, Creditreform sowie auf Direktmarketing angewiesene große NGOs wie SOS Kinderdorf und der BUND. Geschätzter Gesamtumsatz aller Anwesenden: mehrere Milliarden Euro.
Politische Standpunkte: Sebastian Edathy (MdB/SPD), Rita Pawlewski (MdB/CDU), Ulrike Höfken (MdB/Grüne)
Wer bei der Einladung noch gedacht hatte es ginge um Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung fand sich plötzlich im Schwitzkasten der deutschen Industrie wieder. Es war ein offener Schlagabtausch gegenüber der Bundespolitik um einen bestehenden Markt und dessen Nutzer. Anlass: die Mitte kommenden Jahres erwartete Novellierung des BDSG. Hintergrund: politische Eskalation nach sinkenden Vertrauenswerten in Politik und Wirtschaft aus Datenschutzskandalen in denen Datenbanken illegal verkauft wurden.
Ziele der Novellierung:
Beim Listenprivileg handelt es sich um ein Privileg, das auf die 1970er Jahre zurückgeht. Es sieht vor, dass Unternehmen personenbezogene Daten auch ohne Einwilligung der Betroffenen an Dritte verkaufen dürfen so lange es sich bei diesen Daten ausschließlich um Adressdaten und einen weiteren Datenpunkt handelt. Dieses Privileg soll nun gestrichen werden.
Weiterhin muss jeder explizit in eine Einwilligung erteilen, das seine Daten gehandelt werden dürfen. Die Einwilligung des Betroffenen soll dabei erfolgen dürfen: schriftlich, elektronisch oder fernmündlich per Voicefile mit schriftlicher Bestätigung von verantwortlicher Stelle. Wird die Einwilligung wegen besonderer Umstände in anderer Form erteilt, ist der Inhalt dem Betroffenen schriftlich zu bestätigen.
Dazu kommt ein Kopplungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen: Unternehmen dürfen den Abschluss eines Vertrages nicht von einer Einwilligung der Betroffenen in die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken abhängig machen, “wenn den Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist.”
Ausnahmen: Ausgenommen sind selbsterhobene Listendaten für Zwecke eigener Werbung, Werbung gegenüber Freiberuflern oder gewerblich Tätigen unter deren Geschäftsadresse sowie Spendenwerbung steuerbegünstigter Stellen, soweit dem schutzwürdige Interessen nicht entgegenstehen. Interessanterweise sieht der Gesetzgeber auch die Parteien aufgrund ihres grundgestzlichen Status von den Regelungen der Einwilligung befreit.
Kontrolle und Prävention: Zur Einführung eines gesetzlich geregelten Datenschutzaudits mit Datenschutzaudit-Siegel soll sich ein Ausschuss zusammensetzen, um Richtlinien zu entwerfen. Im Rahmen dieses Verfahrens können Unternehmen ein Datenschutzauditsiegel erwerben, wenn sie sich einem regelmäßigen datenschutzrechtlichen Kontrollverfahren anschließen und Richtlinien zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit erfüllen.
Wir sehen diese Maßnahmen als geeigneten ersten Schritt, – wenn sie auch nachlässig sind. So darf man fragen, was mit Daten passiert bei denen eine Einwilligung erteilt wird. Sie werden nach vorliegendem Entwurf intransparent über den Markt gehen und hoch gehandelte Ware sein.
Verständlich ist aber auch der Aufschrei der Industrie. Es wird Verlierer am Markt geben, – denn ein Geschäftsmodell aus anderen Zeiten steht auf dem Prüfstand. Das des Handels von Daten und der Vermietung ohne Einwilligung des Betroffenen. Daran gekoppelt sind ganze Wirtschaftszweige. Die Wirtschaft sorgt sich daher um den ausreichend und qualitativ hochwertige Dateninput um personalisierte Werbung zu ermöglichen und prognostiziert steigende Werbekosten und Stellenabbau. Wir empfehlen weniger Mutlosigkeit, sondern den Umbau der Geschäftskonzepte und z.B. die Ausrichtung auf Onlineangebote.
Unverständlich ist die Lobbykampagne aber angesichts ausgebliebener Eigenreformen und Selbstverpflichtungen. Es reicht nicht mehr sich darauf zurückzuziehen das gemietete Daten für den Kunden unsichtbar sind. Es reicht auch nicht mehr sich auf Robinsonlisten zurückzuziehen. Es sind einfach unsere Daten. Sie gehören der Industrie nicht und sind grundgesetzlich aus gutem Grund geschützt. Das MdB Edathy diesen Standpunkt vor dieser Runde vertreten hat, rechnen wir durchaus an.
In einem etwas seltsamen Licht blieben für uns S.O.S. Kinderdorf und der BUND stehen. S.O.S. Kinderdorf sah sich sogar schon auf das Niveau einer kleinen Initiative schrumpfen weil das Direktmarketing nun vorbei sei. Man wollte es kaum glauben.
Vom Gesetzgeber wünschen wir uns das er den Datenhandel und die Vermietung (Lettershop-Verfahren) generell verbietet. Es gibt keine praktikable Lösung für ein Verbraucher transparent über den Verbleib seiner Daten zu informieren wenn diese gehandelt oder vermietet werden. Sobald Daten von einer Hand in die andere übergehen bleibt die Nachvollziehbarkeit vollkommen auf der Strecke. Eine Einwilligung für Werbung sollte ausschließlich Unternehmensgebunden sein.
Die industrieseitig vorgeschlagene Teillösung den innerbetrieblichen Datenschutzbeauftragten in seiner Rolle als Systementwickler, Berater und Eskaltionsinstanz durch ein definiertes und genormtes Berufsbild zu stärken teilen wir. Darüber hinaus schlagen wir vor, Unternehmen an eine wiederkehrenden ISO Zertifizierung zu binden, welche Grundlage öffentlicher Aufträge ist.
Auf Freunde! Wir vertrauen auf das Wort des Gastgebers die Daten- und Verbraucherschützer in einer zweiten Runde zu hören. Reicht Vorschläge ein, um der Deutschen Wirtschaft aus der Datenschutzkrise zu helfen! Und Netzpolitik berichtet dann vielleicht auch wieder kommentiert.
Bilder und einen monetären Gegenstandpunkt findet man hier.
An geeigneter Stelle werden wir dann gerne das zeitgeschichtliche Dokument bzw. die vorbereitete Rede von MdB Rita Pawlewski (CDU) veröffentlichen. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie, deren Mitglied sie ist, ist davon überzeugt das Dialogmarketing auch ohne zustimmenden Dialog des Endverbrauchers stattfinden muss.
Wir machen in diesem Sinne aufmerksam auf einen wichtigen Termin: Zentrale gemeinsame Veranstaltung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in Berlin
Wir hoffen dort den Gesetzgeber zu finden, der mit uns darüber nachdenkt wie eigentlich staatlich erhobene Daten verarbeitet werden dürfen bzw. ob manches seiner Gesetze nicht am Grundgesetz und der Intention unserer Demokratie vorbeigeht.