Piratenpartei Politik

Lobbyisten im Klassenzimmer

In Brandenburg ist die Ausbildung mangelhaft.

Zu lesen war dies in der letzten Zeit in allen Tageszeitungen. Ursache war der sogenannte Bildungsmonitor. Wer zu welchem Zweck die Studie herausgegeben hat, und nach welchen Kriterien bewertet wurde, hinterfragte hingegen kaum jemand. Der Herausgeber der Studie war die arbeitgebernahe Inititative Neue Soziale Marktwirtschaft. Finanziert wird die INSM durch die Metall- und Elektro-Industrie, – nicht ganz unwichtig bei der Bewertung einer Studie. Um einzuschätzen welche Intention hinter der Initiative steckt, -ein Zitat:Mindestlohnpläne noch einmal in unseliger Weise verschärft. Gefahr für den Arbeitsmarkt“. (Quelle: Merkelmeter)

Der Fokus der Studie lag auf den technischen Wissenschaften. Gewonnen haben konsequenterweise die Länder, in welchen die meisten Ingenieure ausgebildet werden. Es ging also nicht um nachhaltige Bildung sondern um die wirtschaftlichen Ziele der Geldgeber. Brandenburg hat übrigens sehr gute Noten bei der Internationalisierung und der Integration von Schülern erhalten. Aber darum geht es der Initiative nicht.

Selbst in Sachsen, welches überdurchschnittlich abschloss, bekannte man der „Bildungsmonitor“ sei mit „Vorsicht zu genießen“.: -sächsischer Landtagsabgeordneter der SPD Martin Dulig

Wahr ist jedoch auch, das in Brandenburg keine heile Bildungswelt besteht. Es sind die kleinen Schritte die viel bewegen könnten. Als Beispiele wären zu nennen: die Altersstruktur der Lehrer, die elektronische Schulausstattung, die Klassengröße, die Freiheit des Lehrplans und der Lehrmittel oder zum Beispiel Bezahlbarkeit des Schülertickets sowie die Schulspeisung. An Hochschulen wäre insbesondere zu nennen die Einbindung der Lehre in Arbeitsprozesse. Es gäbe viel zu tun. Doch auch die Unabhängigkeit der Lehre rückt zunehmend ins Schlaglicht des Reformbedarfes.

Lobbyismus an Schulen

Seit kurzen versucht zum Beispiel die Deutsche Industrie auch an den Schulen erfolgreiche Lobbyarbeit zu betreiben und spannt dazu namhafte Politiker mit ein. Unter der Aktion „Ideenliebe“ (www.Ideenliebe.de) wird versucht, den Schülern die Anschauung der Wirtschaft zu Geistigen Eigentum, Patentwesen, Urheberrecht und Markenrecht zu vermitteln und die Jugend auf den „richtigen Weg“ zu bringen. Dies passiert unter Schirmherrschaft von Firmen, Industrieverbänden und namhaften Politiker. Um bei den Schüler es Interesse zu wecken wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben und Preise ausgelobt (von Addidas).

Initiator und Strippenzieher ist der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI). Unterstützer sind weitere Industrieverbände sowie zum Beispiel das Einzelunternehmen Microsoft Deutschland. Schirmherrin des Projektes ist wiederum Frau Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Der BDI zur Motivation des Projektes: „Geistiges Eigentum ist das Fundament einer innovativen Gesellschaft. Nur wenn es hinreichend geschützt wird, kann Deutschland seinen internationalen Spitzenplatz in Forschung und Wissenschaft halten“, – Hauptgeschäftsführer des BDI, Dr. Werner Schnappauf

So startete der BDI mit Herr Dr. Schnappauf als Gastgeber am 25. April 2008 den von der World Intellectual Property Organisation (WIPO) ausgerufenen Welttag des geistigen Eigentums und initierte das Projekt „Ideenliebe“.

Herr Dr. Schnappauf ist in der Lobbyistenliste des Bundestages registriert (S.116 Lobbyistenliste). Gewinnen konnte Schnappauf als Schirmherrin die Justizministerin Brigitte Zypries. Vom 14. Oktober 2003 bis zum 15. Oktober 2007 war Schnappauf zudem Bayerischer Staatsminister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Am 24. September 2007 wurde Schnappauf zum neuen BDI-Hauptgeschäftsführer berufen. Zypries und Schnappauf kennen sich wiederum (zum Beispiel) aus der 2005er Hochwasserhilfe für Bayern.

Ein ehemaliger Verbraucherschützer ist also als Verfechter der großen Musikkonzerne, -welche sich nur mit Mühe vom DRM lösen und die legale Privatkopie kriminalisieren. Ein Bildungsprojekt?

Der Anlass wird auf der Webseite der Bundesregierung umschrieben mit: „Fälschern und Raubkopierern auf der Spur“

Der BDI bewirbt an Schulen dann wie folgt: „Vielleicht kennt Ihr das sogar: Jemand schreibt bei der Mathearbeit von Euch ab und tut so, als sei er selbst auf die Lösungen gekommen. Oder ein Mitschüler kopiert Euer Outfit. Oder Ihr ärgert Euch, weil die gefakten Markenturnschuhe keine Woche durchhalten…Wie geht es Euch damit, wenn jemand Eure Ideen kopiert?

Die Parallele wurde sicher nicht sehr überlegt gewählt, aber sie ist sehr plakativ für das Verständnis der Industrie. Ist Innovation tatsächlich nur durch Protektionismus möglich?

Eines der schwergewichtigen Mitglieder des BDI und Unterstützer der Kampagne „Ideenliebe“ ist die BITCOM.

BITCOM: „Bei vielen Schwarzkopierern und Käufern von Fälschungen herrscht nach wie vor kein Unrechtsbewusstsein…Gute Ideen müssen auch gutes Geld bringen – denn Kreativität entscheidet mehr denn je darüber, wer im Wettbewerb die Nase vorn hat.“ (Präsidiumsmitglied Uli Holdenried)

Darum geht es, -Geld verdienen und Monopole ausbauen. Es geht nicht etwa um die Förderung der Kreativität und der Kreativen, wie man es von der Bildung erwarten dürfte. Das gesamte Projekt ist wirtschaftlich motiviert und schreckt daher nicht vor der Vermittlung von Angst im Klassenzimmer zurück.

Zum Beispiel ist eine der Werbeplattformen des Projektes der Spiesser (Auflage ca. 1.000.000 Exemplare) welche ein Special zum Thema pünklich zum Aktionsstart an den Schulen herausbrachte. Dort heißt es dann auch platt:

+++ Drei Jahre Haft ohne Bewährung für einen Raubkopierer: So lautet ein aktuelles Urteil des Landgerichts Frankfurt. +++

Justizministerin Brigitte Zypries stößt ins selbige Horn„Der Wettbewerb will bei den jungen Leuten ein Bewusstsein dafür entwickeln, was Recht ist und wovon sie besser die Finger lassen.“ (Rede vor Lobbyisten zum Tag des Geistigen Eigentums)

Den Kinderreportern im ARD Morgenmagazin konnte Frau Zypries hingegen die folgende Frage nicht beantworten: „Was ist ein Browser?“. Fragen? Frau Zypries hat die falschen Berater, zu Lasten des Verbrauchers. Alter grauer und verbrauchter Zement.

Ein weiteres Mitglied des BDI ist der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) welche erst auf Druck der Mitglieder die Haltung zu Trivialpatenten zu schärfen sucht. [2] Die ZVEI wiederum ist einer der Geldgeber des Schulprojektes „Ideenliebe“, – analog zu Microsoft welche eine ähnliche Kampagne gestartet hat („Die Idee“).

Die Zielgruppe: Der bundesweite Wettbewerb „Ideenliebe“ des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) bringt das Thema in die Klassenzimmer: Schüler der Klassen 8 bis 10 sind aufgerufen, kreative Beiträge zum Schutz von Ideen zu entwickeln.

Der Ablauf: Die Aufgabenstellung lässt sich in viele unterschiedliche Unterrichtsfächer integrieren. Denkbar sind zum Beispiel Fotogeschichten, Videos oder Modelle. Zusätzlich können die Schüler projektbezogen Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen knüpfen.

Die Lehrer wiederum erhalten Hilfe bei der Unterrichtsplanung. Unterrichtsvorschläge für den Deutsch bis Physikunterricht.

Was alles hat das mit Bildung zu tun? Es ist eine unkritische und ungefilterte Meinung der Industrie, -es ist unkontrollierter Lobbyismus im negativen Sinne. Wir würden uns freuen wenn an Schulen ein offener Dialog über die Zukunft des „Kopierens“ entstünde. Ist Bildung nicht auch die Frage des Warum und des Wieso?

Das gesamte Netz ist eine Sammelsurium von Kopien. Die Zukunft sollte an dieser Stelle neu gedacht werden und diese beginnt durch Bildung. Es geht um einen Alltagsvorgang und die der Kopie innewohnende Zukunftschance. Ein plakatives Beispiel für die Probleme der Kunstszene mit dem Urheberrecht findet sich hier.

Wir würden uns z.B. wünschen, wenn die Politik offen über Alternativen wie die Kulturflaterate nachdenkt und Bildungseinrichtungen nicht weiter instrumentalisiert. Wir finden es unsäglich das die Industrie sich nicht scheut, einen ausgewogenen Unterricht zu torpedieren und fordern die Landespolitik zum Handeln auf! Es bedarf klarer Lobbyisten-Richtlinien.

Über uns: Der Landesverband Piratenpartei Brandenburg gründet sich am 3.10., pünktlich zum Nationalfeiertag.

  1. Da Bildung eine unkritische und ungefilterte Indoktrination von Seiten des Staates ist, ist es doch nur mal sehr schön, wenn auch andere Gruppierungen versuchen Informationen fließen zu lassen!
    Hört man iwelche demokratiekritischen oder staatskrtischen in der Schule? Nein! Lernt man irgendetwas über das System der Marktwirtschaft in dem sich die Menschen ein Leben lang bewegen? Nein!
    Außer das es Schuld ist an den dritte Welt Ländern, an der Finanzkrise, an Armut und sozialer Ungerechtigkeit…

    http://pro-kopf.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/Martkw_Schulbuecher.pdf

Kommentare sind geschlossen.